Von Kenan Engin
Gewalt gegen obdachlose Menschen stellt in Deutschland ein zunehmendes gesellschaftliches Problem dar. Aktuelle Berichte und Studien der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) zeichnen kein schönes Bild: Gewalt, oft motiviert durch Vorurteile oder Hass, gehört für viele wohnungslose Menschen zum Alltag. Dabei bleibt die Dunkelziffer hoch, da viele Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht werden oder in der Berichterstattung kaum Beachtung finden.
Die Amadeu Antonio Stiftung beschreibt Obdachlosenfeindschaft als eine Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die sich durch Vorurteile, Abwertung und Gewalt gegen wohnungslose Menschen äußert. Diese Feindseligkeit wird oft durch falsche Annahmen genährt, z. B. dass Obdachlose „nutzlos“ seien. Häufig ist Gewalt gegen diese Gruppe von menschenverachtenden Ideologien geprägt. Statistiken zeigen, dass Obdachlose besonders von rechtsextrem motivierten Angriffen betroffen sind, wobei viele Taten unerkannt bleiben. Historisch wurden Obdachlose stigmatisiert, kriminalisiert und sogar in Konzentrationslager deportiert.
Nach den systematischen Presseauswertungen der BAGW wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle von Körperverletzungen, Raub, sexueller Gewalt und sogar Morden dokumentiert. Zwischen 1989 und 2022 starben mindestens 502 wohnungslose Menschen infolge von Gewalt. Ein Großteil der Angriffe wird von Tätern aus nicht-obdachlosen Bevölkerungsschichten verübt, oft jüngere Männer oder Gruppen, wobei menschenverachtende und rechtsextreme Motive eine Rolle spielen können. Opfer sind meist ältere, alleinstehende Männer, die in der Öffentlichkeit sichtbar und schutzlos sind.
Gewalt zwischen obdachlosen Personen selbst ist ebenfalls ein Thema. Sie entsteht oft aus Konflikten um knappe Ressourcen, beengte Unterbringungssituationen oder Substanzmissbrauch. Besonders wohnungslose Frauen sind stark gefährdet, da sie häufig sexuelle Gewalt erleben, sei es in Unterkünften oder auf der Straße. Solche Vorfälle werden selten angezeigt, da die Opfer oft Angst vor den Tätern haben oder kein Vertrauen in Behörden besitzen.
Die BAGW fordert präventive und strukturelle Maßnahmen, um Gewalt zu verhindern und Obdachlosen Schutz zu bieten. Dazu gehören:
– Der Ausbau von Wohnungen und sichere Unterkünfte mit mehr Privatsphäre.
– Spezialisierte Schutzräume für Frauen.
– Sensibilisierungskampagnen gegen Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Obdachlosen.
– Bessere Datenerhebung, um das Dunkelfeld der Gewaltfälle sichtbarer zu machen.
Gewalt gegen wohnungslose Menschen ist nicht nur ein individuelles, sondern ein strukturelles Problem, das eng mit sozialer Ausgrenzung und Armut verknüpft ist. Der Schutz dieser besonders vulnerablen Gruppe erfordert eine Kombination aus strafrechtlicher Verfolgung, sozialpolitischen Reformen und öffentlicher Sensibilisierung, um langfristig eine inklusive und sichere Gesellschaft zu fördern.